Freitag, 7. Dezember 2012

Die ersten 3 Monate sind schon um..

..und ganz so fremd ist mir hier kaum noch etwas..
Ich bin gerade zurück von einem ereignisreichen Wochenende mit meinen lieben Mitfreiwilligen Tom, Alex und Charly. Charly lebt in einem Waisenhaus in einer Kleinstadt der Eastern Region. Um einmal zu sehen wie ein Waisenhaus in Ghana aussieht, wie die Kinder dort leben, wie die Arbeit dort abläuft und wie Charly so lebt haben wir sie also am Wochenende besucht.
kleiner lachkrampf...

Der Weg war trotz vieler Stunden anstrengender Tro- Tro- Fahrten sehr schön, da uns ein Teil der Strecke durch den Regenwald geführt hat. Je weiter wir fuhren, desto höher wurden die Berge und die Bäume um uns herum. Das Waisenhaus selbst befindet sich hinter einem steilen Sandweg etwas abgeschieden vom Rest der Kleinstadt. In direkter Nachbarschaft gibt's noch einige Wohnhäuser und eine kleine Kirche die die Kinder Sonntags besuchen.
-- Mir ist gerade während des Schreibens auf meinem Bett eine mittelgroße Kakerlake am Bein hoch gelaufen....... Nach wie vor ekelhaft. Leider haben wir viel zu viele davon im Haus. Manche laufen morgens über den Frühstückstisch oder stören mich wie eben gerade beim Sitzen auf meinem Bett.. Nun ist mein kleiner Bruder in's Zimmer gekommen und versucht mit einem Bleistift auf das virtuelle Blatt des Word Dokuments auf dem Bildschirm zu malen.. Okay, weiter geht's..--

Das Waisenhaus besteht aus 2 Teilen. In einem findet Wochentags der Unterricht durch Lehrer und Freiwillige statt und außerdem wohnen ebendiese auch dort. Im zweiten Haus wohnen die Kinder. Mehrere Kinder ähnlicher Altersgruppen teilen sich jeweils ein Zimmer und schlafen in so etwas wie Doppelstockbetten mit Mosquitonetzen für jeden. Die Wände der Häuser sind durch vorherige Voluntäre/ -innen u.a. mit Bildern von Tieren, Landkarten und Zahlen verziert worden. Am Tor werden wir durch einige neugierige Kinder begrüßt, die uns, nachdem sie unsere Namen erfragt haben, an der Hand zu den anderen Kindern bringen. Ich erfahre, dass nicht nur Waisen sondern auch Kinder, die auf die hauseigene international School gehen, hier wohnen.

Nachdem wir einige Zeit mit den Kindern verbracht haben, entschließen wir uns zu einem Wasserfall in der Nähe zu gehen. Nach einigem Wandern und Klettern über einen Pfad durch den Wald kommen wir zu einem kleinen Wasserfall. Ganz ohne die Touristen die sich sonst überall dort sammeln, wo es schön ist. Hier treffen wir auf einige Kinder die das kalte Wasser zum Wäschewaschen und Baden nutzen. Außerdem treffen etliche kleine und einige gruselig große Ameisen, Grashüpfer und Schmetterlinge auf uns.
Riesenameise
 Als die Kinder bemerken, dass Monstergrashüpfer nicht unbedingt unsere Lieblingstiere sind, fängt ihn ein Junge und hält ihn uns ständig entgegen, sich darüber amüsierend, dass wir davor weglaufen. Interessiert frage ich auf englisch, wie man den Grashüpfer nenne; Grasshopper. Okay.. Hätte ich mir denken können..







Zurück im Waisenhaus ziehen wir los um uns aus einem Brunnen Wasser zum Duschen zu schöpfen. Da die Trockenzeit begonnen hat, ist die Wasserstelle nahe des Hauses bereits geschlossen und so mussten wir einen relativ Steilen Abhang hinunter laufen um zu einem anderen Brunnen zu kommen. Da die Sonne bereits untergeht( gegen 18 Uhr), kommen uns noch die Bummler unter den Kindern mit ihren kleinen Duscheimern auf dem Kopf entgegen. Anschließend gibt es Reiswasser zum Abendbrot. Schmeckt so wie es klingt, nur mit etwas Zucker dazu. Zum Glück stehen Abends viele "Eggbread"- Verkäufer an den Straßen und so gönnen wir uns vor dem schlafengehen noch ein mit gebratenem Ei gefülltes Sandwich.
Am Morgen essen wir zusammen mit den Kindern Porridge, den die füllige Köchin in einem großen Topf über'm Feuer vorbereitet hat. Wir sitzen auf Holzbänken die um die Feuerstelle stehen und mir fällt auf, dass jeder eine andere Variante hat, um sein kleines Stück Brot auf den relativ zähen Brei aufzuteilen. Im Anschluss versuchen wir uns gegenseitig mit einer rostigen Schere die seit dem letzten Friseurbesuch in Deutschland schon ziemlich langgewachsenen Haare zu schneiden.

Zurück vom Wochenende habe ich jetzt eine verkürzte Arbeitswoche vor mir, da am Freitag Wahlen für die neue- oder alte- Regierung stattfinden. Zur Auswahl stehen laut Wikipedia ca. 20 Parteien; allerdings scheinen nur zwei von ihnen genügend Geld für einen großangelegten Wahlkampf zu haben. Das wäre zum einen die zur Zeit regierende NDC ( National Democratic Congress), eine sozialdemokratische Partei unter John Mahama( Präsident seit dem plötzlichen Tod des vorherigen Präsidenten Prof. John Atta- Mills vor einigen Monaten), die sich u.a. für Quality Education, Bildung neuer Arbeitsplätze und Förderung der Landwirtschaft einsetzten wollen. Außerdem die NPP( New Patriotic Party), die 4-jährig vor NDC regiert haben und unter anderem die National Health Insurance, also Krankenversicherung eingeführt haben. Von ihnen habe ich nur ein Ziel mitbekommen: Free Education; sie wollen einen freien Zugang zu Senior Highschools ermöglichen. Flaggen, Plakate und Aufsteller sind seit geraumer Zeit überall platziert. Selbst an einem Baumstamm am Weg im Regenwald haben wir am Freitag eine Flagge der NDP gesehen.
Tagsüber Fahren immer wieder Autos mit lauter, aus Lautsprechern auf dem Dach dröhnender Musik vorbei. Entweder sind sie mit Plakaten der Partei beklebt oder es sitzen Menschen mit Flaggen, Armbändern,Kopftüchern und T- Shirts der favorisierten Partei darin und trillern aus gleichfarbigen Pfeifen. Es wird also eine spannende Wahl und uns Freiwilligen wurde leider sogar ein einwöchiges Reiseverbot erteilt. Sicher ist sicher. So viel erstmal zum Thema Wahlen; ich werde euch bald über das Ergebnis informieren.

Krank bin ich seit dem letzten Bericht übrigens nicht mehr geworden, ich bin jetzt anscheinend Hähnchengiftgeimpft. Beklaut wurde ich noch ein zweites Mal weil wir, angetrieben von einem Schokocookie- Heißhunger, spät Abends( heißt hier Samstagabend um 10 Uhr) noch durch unbeleuchtete Straßen gelaufen sind. Es ist uns aber glücklicher Weise wieder nichts passiert bis auf den Schreck, die leichteren Taschen und eine sich bestätigende Paranoia.
Die Arbeit im Krankenhaus hab ich noch mal unter "Einsatzstelle" aktualisiert. Bald folgen noch ein paar Bilder dazu.
Nachdem ich nun 3 Wochen auf der Männerstation, 1 Woche auf der Kinderstation und einen Monat im OP gearbeitet habe, bin ich momentan im Emergency Room, der Notaufnahme, gelandet.
Die Station entspricht in diesem Fall tatsächlich ihrem Namen- sie besteht aus nur einem Raum. In ihm befinden sich 3 Krankenbetten, ein Notfallbett und ein Bett in dem die Schwestern bei der Nachtschicht- wenn denn- schlafen. Alles eng aneinander gedrängt, abwechselnd mit einigen kleinen Tischen und Schränken.
Das Equipment ist zwar spärlich aber trotzdem das üppigste unter den Stationen. So haben wir eigene Infusionslösungen und Notfallmedikamente. Zum Glück, denn wenn Patienten bei uns ankommen, sind sie meist ohnmächtig. Es wäre ein Desaster, müssten wir erst Medikamente verschreiben und die Verwandten dann der Warteschlange der Hausapotheke überlassen. Dies ist nämlich der übliche Ablauf auf den Stationen.
 Manche unserer Patienten sind wegen schwerer Malaria kollabiert, andere wegen Magen- Darm- Infekten Dehydriert und wieder andere verunglückt. Verunglückt kann heißen, dass jemand vom Taxi angefahren wurde, von einer Schlange gebissen wurde, beim Kokosnusspflücken von einer Palme gefallen ist, dass jemand verprügelt wurde usw.. Meist ist es aber Malaria oder ein Magen- Darm- Infekt.
Der Arbeitsalltag schwankt zwischen Langeweile mit umhersitzen, Kompressen falten, Tupfer rollen und hektischem Gewusel weil manchmal 4 Menschen in 5 Minuten zu uns gebracht werden. Dabei sind die wenigen Ambulanzwagen selten diejenigen, die die Patienten zu uns bringen. Eher kommen sie im Taxi oder Tro- Tro zu uns. Einmal fuhr ein Tro-Tro mit zerbrochener Frontscheibe auf den Krankenhausparkplatz und es stieg ein schwankender Mann aus, der offensichtlich in direkter Verbindung mit der zerbrochenen Scheibe stand. Der angefahrene wankte also, vom Fahrer gestützt, in die Notaufnahme.
Da wir, wie schon berichtet, nur 3 Ärzte im Krankenhaus haben, kann leider keiner von ihnen in der Notaufnahme arbeiten. Also kommen in regelmäßigen Abständen Medical Assistants( die "halben Ärzte", wie ich sie einfach mal nenne) vorbei, um zu sehen, welche Fälle bei uns sind, welche Medikamente ihnen weiterhin verschrieben werden sollen und ob sie auf eine der Stationen aufgenommen werden sollen. Ein Notfall läuft also beispielsweise so ab: eine bewusstlose Frau ohne äußerlich sichtbare Verletzungen wird von ihren Verwandten hereingetragen; wir weisen ein Bett zu in das sie gelegt wird und beginnen Blutzuckerspiegel, Blutdruck und Körpertemperatur zu messen. Nach diesen Werten entscheiden wir dann über die Medikation. Ist der Blutzuckerspiegel zu niedrig geben wir Glukose, hat sie einen niedrigen Blutdruck geben wir ihr eine Kochsalzlösung- Infusion und hat sie Fieber geben wir zusätzlich eine Injektion gegen Malaria. Währenddessen fragen wir den Mann,die Schwester oder Freundin nach den Ursachen für die Ohnmacht um Verdachtsdiagnosen stellen zu können. Nach einigen Sekunden bis Minuten wacht die Patientin dann auf und wir warten auf den oder die Medical Assistant um über die weitere Behandlung zu entscheiden. Eine simple aber meist effektive Vorgehensweise.  Leider kommen wir bei schwereren Verletzungen aber relativ schnell an die Grenzen unserer Möglichkeiten. 

 Das soll erstmal genug Neues sein. Ich berichte euch bald über den Ausgang der Wahlen , wie mein Geburtstag abgelaufen ist( ghanaische Tradition: wer Geburtstag hat wird von den Freunden und Verwandten mit allem was sich finden lässt übergossen; ich hoffe nur Wasser....) und hoffentlich über mein erstes Zusammentreffen mit Affen am nächsten Wochenende.  Viele Grüße aus Agona Swedru :) Abena Lisa